Dienstag, Oktober 16, 2007

Der Hund im Imperativ

Gestern begegnete mir diese seltsame Frau mit zwei kleinen Kindern und einem riesigen Hund bei einem Spaziergang im Feld. Und ich freue mich ja auch immer, wenn Leute mit mir reden möchten. Sie zum Beispiel schrie schon einen halben Kilometer vorher:

"Können Sie mal ihren Hund anleinen!"

Hm. Ich persönlich bin ja kein Freund des Imperativ. Imperativ ohne das Wörtchen "bitte" geht zweifelsohne schon mal gar nicht, da regt sich bei mir nur die natürliche Abwehr. In diesem Fall ging es nicht darum, dass sie Angst vor meinem Hund hatte, sie hatte ja selbst einen. Und zwar eine kuschelige, ausgewachsene blaugraue Dogge. Das übertrifft an Größe selbst meinen kleinen, zartfühlenden Dobermann-Mischling.

Wie auch immer, ich nahm meinen kleinen an die Leine und bewegte mich weiter auf die nette Dame zu, die sinnigerweise ihr Kalb auf der linken Seite führte. Zur Erklärung: Wenn man Hunde ausbildet, bekommt man dies auch so bei gebracht: Der Hund läuft links! "Das hat den einfachen Hintergrund, dass der Hund immer am Fahrbahnrand läuft und nicht der Mensch", sagte mir einmal ein Ausbilder. Klar. Ist ja auch besser, wenn der Hund zuerst überfahren wird. Gerüchteweise hörte ich einmal, dass man den Hund links führt, weil man früher das Gewehr rechts in der Hand hatte und der Hund dann eben links lief. Das macht ehrlich gesagt auch eher Sinn, aber ich bin ja auch selten mit einem Gewehr unterwegs und soweit ich sehen konnte, hatte die nette Dame auch keines dabei, wofür ich im Nachhinein sehr dankbar bin. Hätte sie aber auch gar nicht haben können, denn sie musste ja mit zwei Händen den Hund festhalten.

Aufgrund des etwas hektischen Verhaltens der Hundebesitzerin - um die zwei Kinder im Alter von ca. vier und fünf Jahren herumtanzten - schloss ich darauf, dass sie wohl diverse Kommunikationsprobleme mit ihrem Hund pflegt. Folgerichtig nahm ich meinen Hund schon mal auf die rechte Seite, mittlerweile ja auch brav angeleint. Nun wäre es ja sinnvoll gewesen, dass sie das auch tut, aber was der deutsche Hundebesitzer einmal gelernt hat, daran hält er sich so fest, wie an den Enden der Hundeleine. Hat ja auch was mit Autorität gegenüber dem Hund zu tun. Ist schon recht.

Nun kamen wir uns immer näher. Die Kinder hüpften. Mein Hund lief gelangweilt an meiner rechten Seite, die Leine hing schlaff herunter.

5 Meter

Ich konnte das angestrengte rote Gesicht der Frau sehen, die mit wachsender Anspannung und starren Blick in meine Richtung stakste.

4 Meter

Sie begab sich in leichte Rückenlage, die Dogge duckte sich in Erwartung einer Keilerei. Die Kinder hüpften weiter.

3 Meter

Ich hörte sie schon vor Anstrengung keuchen. Die Dogge ist groß, ziemlich kräftig und schert sich einen feuchten Kehricht darum, was ihr Frauchen gern will.

2 Meter

Zwei Hände an der Leine, aufgerissene Augen, die Dogge geht in Schleichmodus über, hängt jedoch immer noch im Zug der Leine.

1 Meter

Die Dogge sprang in meine Richtung - wie überraschend. Frauchen hatte derweil vor Anstrengung einen hochroten Kopf und verkeilte ihre Fersen in der Wiese. Ich blieb stehen. (Im übrigen ein Reflex, da ich bei Hunden, die auf mich zuspringen nie wegrenne.) Wotan (mein Hund) entwickelte derweil ein gesteigertes Interesse an der Dogge und stellte die Ohren auf.

0 Meter

Gepresster Aufschrei auf Seiten der Doggenbesitzerin, die krampfhaft versuchte ihren Hund festzuhalten und dabei in meine Richtung schrie: "Gehen Sie weiter!" Hm. Schon wieder Imperativ. In Anbetracht der sabbernden Dogge und der kurz vor dem Herzinfarkt stehenden Dame, die immer noch von fröhlich hüpfenden Kindern umgeben war, gab ich mich geschlagen und lief weiter.

Aber jetzt mal ehrlich. Die Frau sollte sich einen Yorkshire halten, aber keine Dogge, das gibt doch nur ein Unglück.

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